Zielsetzungen der Klimabewegung/FFF/Extension Rebellion in grünes politisches Handeln umgesetzt!
Die geplante Choreographie vom Bundesvorstand für die grüne Bundesdelegiertenkonferenz in Bielefeld ist am Ende aufgegangen (s. TAZ-Titel „Kuschelkurs ins Kanzleramt“). Die hat funktioniert, weil es uns gelungen ist, den Bundesvorstand von weiteren deutlichen Zugeständnissen an die Parteibasis zu überzeugen. Zuvor hatte es eine große Unzufriedenheit mit den vom BuVo vorgelegten Beschlussvorlagen gegeben.
Dies betraf für alle wesentlichen Anträge (Wohnen, Wirtschaft und Klima) zu. Insgesamt gab es mehr als 1.000 Änderungsanträge. An zentralen strategischen Punkten gab es sowohl eigenständige Anträge als auch eine Vielzahl von Änderungsanträgen. Vor allem der vom BuVo und den BAGen vorgelegte Klimaantrag war zwar weit von der ersten (nicht öffentlichen) Version entfernt und deutlich verbessert, hatte aber immer noch entscheidende Schwachstellen.
Wir konnten erhebliche Erfolge bzw. Kompromisse durch modifizierte Übernahmen in den nächtelangen gemeinsamen Verhandlungen individuell oder mit anderen Antragstellerinnen erzielen, auch durch die kompromissbereite und zusammenführende Arbeit von Terry Reintke für die Antragskommission (s. modifizierte bzw. komplette Übernahmen durch die Antragskommission in der Anlage). Beim Thema Mieten hat v. a. der Kreisverband Friedrichhain/Kreuzberg hervorragende Ergebnisse durch Änderungsanträge erreicht.
Die CO2-Bepreisung konnte durch das gemeinsame Auftreten von uns, Mario Hüttenhofer, Janis Prinz, der Grünen Jugend und der BAG Energie, KV Friedrichshain/Kreuzberg durchgesetzt werden und die Rückzahlung des Energiegeldes an alle (!!) und in voller Höhe (nicht nur „100,00 €“, so die BuVo-Version) basiert steht nun auch im Beschluss so wie es Mario Hüttenhofer gefordert hat was wir von Anfang an unterstützt haben. Das Energiegeld wird somit komplett an die Verbraucherinnen ausgezahlt und auch nicht auf andere Zahlungen wie Hartz IV o. ä. angerechnet. Bei der CO2-Bepreisung konnten wir uns nur indirekt durchsetzen. Unser gemeinsamer Antrag mit Mario zusammen auf einen Start des CO2-Preises in 2020 bei 80€ für alle Sektoren und eine Erhöhung von mindestens 20€ je Jahr bis 180€ erreicht sind, wurde von der Mehrheit der Delegierten leider nicht angenommen. Aber wir hatten zu diesem Zeitpunkt unser Ziel, einen Einstiegspreis von 60€ in 2020 bereits hinein verhandelt. Die weitere Erhöhung um 20 € wurde dann mit „planbar analog ansteigen“ semantisch umschrieben, weil der BuVo die konkreten Zahlen 180 als auch 20 € vermeiden wollte. Unser Antrag 60/180 € hat jedoch den Druck erzeugt, um zu dieser verklausulierten Formulierung zu gelangen. In der Presse wird die jährliche lineare Erhöhung um 20 € aufgegriffen.[1] Ein weiterer wesentlicher Punkt war, darauf hat uns Mario aufmerksam gemacht, ist mit dem wir gemeinsam gegenüber dem BuVo verhandelt haben, dass die CO2-Bepreisung auf ALLE „Sektoren“ (= Verkehr und Heizen, aber auch Stromgewinnung und Landwirtschaft) erhoben wird. Der Wunsch des BuVos beschränkte sich auf „Verkehr und Heizen“, Gemeinsam haben wir erreicht, dass die Klausel „beginnend mit Verkehr und Wärme“aufgenommen wurde.
Unser Antrag zur Postwachstumsgesellschaft hat zu einer intensiven wachstumskritischen Debatte auf der BDK beigetragen. Zwar konnten wir den Begriff Postwachstumsgesellschaft nicht im Antrag verankern, jedoch den Satz „Dazu werden wir sowohl Wohlstand von Wachstum als auch Wachstum soweit möglich von Ressourcenverbrauch entkoppeln.“ und damit die Definition des Wachstumsbegriffs des Bundesvorstandes im Antrag ersetzen.
Ein Absatz zum sozialökologischen Investitionsprogramm, zur antizyklischen Wirtschaftspolitik, zur Ablehnung der schwarzen Null im Haushalt hin zu einer ökologischen Null-Emission von CO2 und die staatliche Finanzierung in der jetzigen Phase der Niedrigzinsen bzw. Negativzinsen durch Staatsanleihen konnte im Antrag verankert werden. In unserer Version hieß das „Grüne Null statt schwarzer Null!“ Ein weitergehender Antrag wurde von den Delegierten leider abgelehnt. Damit sollte in Anlehnung an die Finanzierung des “Aufbau Ost” eine Erhöhung der im BuVo-Antrag vorgesehenen zusätzlichen öffentlichen Investitionen für Klimaschutz von 30 auf 100 Mrd. EUR/jährlich erreicht werden. Die Beendigung der Schuldenbremse für den Bund und die Länder wurde vom KV Friedrichshain/Kreuzberg durchgesetzt. In seltener Einigkeit fordern aktuell der Bundesverband der Industrie (BDI), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Wirtschaftsforschungsinstitute ein 450 Milliarden EUR Investitionsprogramm in den nächsten 10 Jahren (s. Tagesspiegel vom 19. November 2019).[2]
Transnationale Unternehmen, die in Deutschland tätig sind, sollen in Zukunft dafür haftbar gemacht, wenn sie innerhalb ihrer Produktions- und Ressourcenketten an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind. Wenn Unternehmen nachweislich fahrlässig gehandelt oder bewusst ihre Sorgfaltspflichten missachtet haben, sollen Betroffene diese in Deutschland zivilrechtlich belangen können. Auch unser Antrag zum Vorsorgeprinzip beim Ausbau des Mobilfunk 5G wurde modifiziert übernommen. Damit konnten wir endlich die Überprüfung der Gesundheitsgefahren von Mobilfunk und 5G erreichen.
Die Ablehnung weitergehender Beschlüsse (z. B. Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2025 etc.) war zu erwarten, zumal der Bundesvorstand, die Fraktionsführung und deren Umfeld alles daransetzten, noch wesentlich radikalere Beschlüsse zu verhindern. Zwar konnten unsere „Parteifunktionär*innen“ revolutionäre Beschlüsse (wie z. B. die Enteignung von Immobilienhaien) vermeiden, jedoch mussten sie weitgehende Kompromisse in allen Themenbereichen während der BDK in den Verhandlungen mit der Parteibasis akzeptieren.
Auch innerparteilich konnten wir einen Beitrag dazu leisten, dass der Hype in den Medien um die Kanzlerkandidatur von Robert Habeck mit der BDK beendet wurde. Annalena Baerbock hat in den langen Verhandlungen mit der Parteibasis zur CO2-Bepreisung/Energiegeld – positiv gesehen – inhaltliche Standhaftigkeit bewiesen und einen letztlich einen für uns alle tragfähigen Kompromiss im BuVo erzielt. Dafür hat sie über 97 Prozent Zustimmung auf der BDK als Bundesvorsitzende erhalten. Robert Habeck bekam 90 Prozent, also 7 Prozent weniger, was dazu führt, dass die Debatte um die Kanzlerkandidatur bis zum Herbst nächstes Jahr relativieren dürfte. Einen Beitrag dazu geleistet hat möglicherweise auch die Frage an ihn aus unserem GL-Kreis, weshalb Aussteller wie Bayer/Monsanto, Nestle etc. auf der BDK-Ausstellerfläche vertreten sind und wie dies zur grünen Programmatik passt. Damit wurde die Botschaft von der BDK gesendet, dass die Grünen für ihre programmatischen Inhalte stehen und nicht für eine Personality-Show um die Kanzlerkandidatur! Wir wollen übrigens dazu einen Antrag zur nächsten BDK stellen, der klarer Vorgaben festlegt, welche Aussteller bei einer BDK vertretbar sind und welche nicht.
Ziel des BuVo war es, möglichst bei der BDK eine Beschlussfassung zu erreichen, um die Anschlussfähigkeit an eine Regierungsbildung mit der CDU/CSU zu ermöglichen. Wir haben gemeinsam mit BAGen, dem KV Friedrichshain/Kreuzberg und Basismitgliedern die Anforderungen zur Regierungsbeteiligung der grünen Partei hochgeschraubt, damit wir die in uns gesetzten Hoffnungen der Klimabewegung, von FfF und Extinction Rebellion nicht enttäuschen. Warnung diesbezüglich sollte uns der bodenlose Absturz der SPD bei Wahlen sein, die in vielen Jahren GroKo ihre programmatische Identität weitgehend verloren hat. Der CSU-Vorsitzende Söder teilte am 19. Nov. 2019 bereits per FAZ umgehend und postwendend mit, die Grünen hätten ein klassisches linkes Programm und seien nicht koalitionsfähig.[3]
Mit den gemeinsam hart erkämpften Kompromissen können wir vorläufig gut leben, zumal in Zukunft aufgrund der fortschreitende Klimakrise eher noch umfangreichere Beschlüsse notwendig sein werden. Der Weg ist das Ziel und wir befinden uns auf einem guten Weg, auch wenn uns die Zeit bedrohlich davonläuft angesichts der derzeitigen Regierungspolitik!
Für die Orga-Gruppe Grüne Linke (GL) und unseren Unterstützer*innen auf der BDK: Klemens Griesehop, Clara-Sophie Schrader, Karl-Wilhelm Koch, Sabine Grützmacher, Horst Schiermeyer, Barbara Romanowski
Anlage
Beschlüsse der BDK an denen Mitglieder der GL – teilweise maßgeblich – beteiligt waren:
Folgende Übernahmen bzw. modifizierte Übernahmen erfolgten:
CO2-Bepreisung/Energiegeld
Aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanzieren wir jährlich ein Energiegeld, das alle Einwohner*innen am Jahresanfang erhalten. Es steigt mit dem CO2-Preis an. Da Menschen mit niedrigem Einkommen in der Regel weniger CO2 produzieren, profitieren sie überdurchschnittlich davon. Die über die Absenkung der Stromsteuer hinausgehenden Einnahmen der CO2-Bepreisung schütten wir vollumfänglich aus. Dieses Energiegeld erhält jede*r in derselben Höhe und es wird nicht auf Transferleistungen angerechnet. Außerdem führen wir ein wirksames Monitoring über die sozialen Folgen der Klimamaßnahmen ein. Wir wollen den Sozialstaat so besser machen, dass soziale Härten vermieden werden, denn ökologischer und sozialer Aufbruch können Hand in Hand gehen.
CO2-Preis:
Die Energiesteuern beginnend im Bereich Verkehr und Wärme wollen wir mit einer CO2- Komponente reformieren. Dabei wird parallel ein sozialer Ausgleich eingeführt; alle Einnahmen aus dem CO2-Preis fließen nach Absenkung der Stromsteuer als Energiegeld an jede*n Bürger*in zurück.
Der Einstiegspreis in diesen Sektoren soll bei 40 Euro pro Tonne liegen und ab 2020 auf 60 Euro pro Tonne erhöht werden. Danach muss er jedes Jahr planbar analog ansteigen, auch das Energiegeld erhöht sich entsprechend. Zugleich schlagen wir für Deutschland ein unabhängiges Gremium vor, das bis zu einer Einigung auf europäischer Ebene die Preissteigerung und die sozialen Auswirkungen kontrolliert und den Preis wenn notwendig anpasst, um ein optimales Zusammenwirken mit den begleitenden ordnungsrechtlichen Maßnahmen zum Klimaschutz herzustellen. Damit soll die erforderliche Lenkungswirkung zum Paris-kompatiblen Einhalten des CO2-Budgets erreicht werden.
Postwachstumsgesellschaft
Modifizierte Übernahme:
Dazu werden wir sowohl Wohlstand von Wachstum als auch Wachstum soweit möglich von Ressourcenverbrauch entkoppeln. Wirtschaftswachstum ist nicht per se das Problem – der damit einhergehende Verbrauch natürlicher Ressourcen, die Überlastung natürlicher Senken – wie zum Beispiel Ozeane und Wälder – und die Ausbeutung billiger Arbeitskraft schon.
Maßgeblich ist daher, nach Maßgabe globaler Tragfähigkeitskriterien sowie ökologischer Regenerations- und Belastungsgrenzen, dem ökonomischen Prozess Vorgaben für den maximalen Verbrauch an nachwachsenden Ressourcen und die Inverkehrbringung fossiler Ressourcen zu machen. Deswegen müssen wir unsere Systeme darauf vorbereiten auch wachstumsunabhängig stabil zu bleiben.
Sozial-ökologisches Investitionsprogramm
Zeile 1184:
In einer Zeit der drohenden Rezession muss staatliches Handeln gegensteuern. Dies beweist sowohl das Versagen der Regierungen während der Weltwirtschaftskrise in den 20er Jahren wie Keynes nachgewiesen hat, sondern auch z. B. die Wirtschaftskrise 2007/2008, in der in Deutschland durch die Konjunkturprogramme I und II, Kurzarbeitergeld sowie die Abwrackprämie nur eine leichte Konjunkturdelle zu verzeichnen hatte und danach ein langanhaltender Aufschwung bis heute stattfand. Bei der sich abzeichnenden Rezession sollte ein ökologisches und soziales Investitionsprogramm aufgelegt werden, um die vereinbarten Klimaziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Ziel darf nicht die sog. schwarze Null im Haushalt sein, sondern die ökologische Null-Emission von CO2. Hinzu kommt, dass die staatliche Kreditaufnahme zur Finanzierung durch die Niedrigzinsen fast zu Null-Prozent erfolgen kann – teilweise sogar zu Negativzinsen durch den Bundesfinanzminister über Staatsanleihen erfolgt.
Vorsorgeprinzip beim Mobilfunk 5G – Modifizierte Übernahme WKF-05-658
Wir lassen uns beim Ausbau der 5G Netze vom Vorsorgeprinzip leiten. Wir fordern daher die Veröffentlichung der Ergebnisse bereits durchgeführter Studien zu Auswirkungen von 5G, die aus öffentlichen Mitteln ganz oder teilweise finanziert wurden und rufen auch die Unternehmen auf, ihre eigenen Untersuchungen vollumfänglich zu veröffentlichen. Wir unterstützen die Überprüfung und ggf. Erarbeitung geeigneter Prüf- und Messverfahren über Auswirkungen durch hochfrequente Sende- und Empfangsanlagen oberhalb 20 GHz und die Erstellung verbindlicher Grenzwerte durch das Bundesamt für Strahlenschutz. Wir setzen uns für eine EU-weite Abstimmung zu diesen Fragen ein und fordern ein möglichst einheitliches Vorgehen in den Mitgliedstaaten.
Globale Lieferketten – Modifizierte Übernahme
Transnationale Unternehmen, die in Deutschland tätig sind, wollen wir dafür haftbar machen, wenn sie innerhalb ihrer Produktions- und Ressourcenketten an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind. Wenn Unternehmen nachweislich fahrlässig gehandelt oder bewusst ihre Sorgfaltspflichten missachtet haben, sollen Betroffene diese in Deutschland zivilrechtlich belangen können. Das Beispiel Frankreich zeigt, dass dies möglich ist. Unternehmen müssen entlang ihrer Lieferketten soziale und ökologische Mindeststandards einhalten und vor allem müssen diese transparent sein, sodass klar ist, unter welchen Bedingungen Produkte produziert wurden. Kriege, Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung dürfen nicht durch Produkte finanziert werden, die in der EU verkauft werden. Produkte, die soziale und ökologische Mindeststandards nicht einhalten, wollen wir nicht in unseren Supermarktregalen sehen. Wir wollen eine konsequente Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.
[1] siehe TAZ-Beitrag von Ulrich Schulte:
https://taz.de/Machtambitionen-der-Gruenen/!5638650/
siehe auch: Süddeutsche Zeitung/Constanze von Bullion – Die Macht und ihr CO2-Preis
https://www.sueddeutsche.de/politik/gruene-die-macht-und-ihr-co-preis-1.4685612
Der Tagesspiegel/Cordula Eubel – Lieber radikal pragmatisch
https://www.tagesspiegel.de/politik/parteitag-der-gruenen-wie-die-basis-vom-realismus-kurs-von-baerbock-und-habeck-ueberzeugt-wurde/25238020.html
[2] siehe: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/angriff-auf-die-schwarze-null-industrie-und-gewerkschaften-fordern-450-milliarden-euro/25241752.html
[3] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/soeder-haelt-gruene-fuer-nicht-koalitionsfaehig-mit-der-union-16491248.html
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