nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (BT-DRS: 17/8166)
Erneut stimmen wir über das Mandat zur Entsendung von deutschen Soldatinnen und Soldaten nach Afghanistan ab. Die komplexe Situation in diesem Land und die Probleme bei der Einschätzung der Lage geben weiterhin Anlass zu vielen Fragen und erschweren die Entscheidung enorm. Wir schicken voraus, dass unser Dank und unsere Wertschätzung denjenigen gelten, die als Soldatinnen und Soldaten, als zivile Helferinnen und Helfer in Verbindung mit ihren Familienangehörigen Aufgaben in Afghanistan erfüllen. Dieses Mandat in Afghanistan fordert mitunter den höchsten Einsatz und das darf nie vergessen werden. Auch angesichts dieser Verantwortung ringen wir um die richtige Entscheidung.
In der Abwägung unserer Argumente sind wir zu einer Ablehnung des Mandates gekommen und möchten diese mit der vorliegenden Erklärung begründen.
Unsere Ablehnung ist auf keinen Fall mit der Forderung nach einem Sofortabzug gleichzusetzen. Einen Sofortabzug weisen wir deutlich zurück, da dies die Situation in Afghanistan in unverantwortbarer Weise destabilisieren würde. Dieses Mandat für 2012 wird unter anderen Vorzeichen als die bisherigen beschlossen. Denn erstmals soll das deutsche militärische Engagement – wenn auch nur in geringem Maße – zurückgeführt werden. Die Zeichen stehen auf Abzug bis 2014 und bis dahin soll das Notwendige geleistet werden, um einen geordneten Übergabeprozess an die afghanische Regierung zu ermöglichen. Aber weiterhin folgt dieses Mandat nicht dem Primat “Zivil vor Militär”. Die Strategie der offensiven Aufstandsbekämpfung und der gezielten Tötungen wird fortgesetzt. Dies halten wir für falsch, weil es zur Gewalteskalation beiträgt und kontraproduktiv für die Erreichung des Ziels einer Stabilisierung von Afghanistan ist. So ist die Sicherheitslage in Afghanistan weiterhin besorgniserregend und eine Trendwende nicht absehbar. Im Gegenteil, die Sicherheitslage hat sich insbesondere für die Bevölkerung in großen Teilen des Landes verschlechtert. Daher überzeugt die Bewertung der Bundesregierung im aktuellen Fortschrittsbericht nicht. Die Zahl der zivilen Opfer hat sich laut der Beobachtermission der Vereinten Nationen in Afghanistan 2011 im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um fast 15 Prozent erhöht. Auch deshalb schwindet das Vertrauen in die ISAF-Truppen. Die Dominanz des Militärischen wird begleitet vom weitgehenden Fehlen einer am tatsächlichen Bedarf orientierten zivilen und entwicklungspolitischen Aufbaustrategie, die in Abstimmung mit den afghanischen und internationalen Partnerinnen und Partnern ausgearbeitet werden müsste. Einer fundierten, selbstkritischen Aufarbeitung des bisher Geleisteten verweigert sich die Bundesregierung bis heute, so dass eine systematische Grundlage für die Beurteilung von Erfolgen und Misserfolgen insbesondere im entwicklungspolitischen Aufbauprozess fehlen. Uns ist bewusst, dass Afghanistan noch lange auf solch eine Unterstützung angewiesen ist.
Gerade deshalb ist eine fundierte Diskussion der bestmöglichen Maßnahmen unerlässlich und dringend geboten, genauso wie die Bereitschaft der Bundesregierung, sich dem öffentlichen Diskurs über die Situation in Afghanistan zu stellen. Diese vermissen wir. So wichtig die Ausrichtung und die konstruktive Begleitung der internationalen Konferenzen zu Afghanistan ist, so gilt: Wenn diese Debatten nicht in die deutsche Öffentlichkeit getragen werden, wird der Abkehr an Interesse und Bereitschaft, sich für dieses faszinierende Land einzusetzen, Vorschub geleistet. Wir kritisieren das Fehlen einer Agenda für den entwicklungspolitischen Aufbau bis 2014 und danach sowie das Fehlen eines Stufenplans, wie der militärische Abzug funktionieren kann, ohne dass in Afghanistan ein erneuter Bürgerkrieg ausbricht.
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