BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Beschluß der 13. Ordentl. Bundesdelegiertenkonferenz
05.-07. März 1999 in Erfurt, Neue Messe  Übersicht

 

Schutz der Menschenreche in der Türkei –
Für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage

1. Seitdem der PKK-Vorsitzende, Abdullah Öcalan, in Italien um politisches Asyl nachsuchte und insbesondere, nachdem er aus Kenia entführt und in der Türkei inhaftiert wurde, wird in den türki-schen Medien und von den Regierenden ein Chauvinismus geschürt, der zu einer Pogromstim-mung gegen kurdische Organisationen wie die »HADEP« und gegen Personen, die sich für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage einsetzen, geführt hat. Es gab zahlreiche Übergriffe faschisti-scher Gruppen auf Büros der »HADEP«. Ebenso werden die Anwälte und Anwältinnen von Ab-dullah Öcalan bedroht. Die türkische Regierung hat Maßnahmen zum Schutz der Anwälte bisher abgelehnt.
Die türkische Regierung diffamiert die gesamte kurdische Bewegung und jedwede Ansätze zu ei-ner friedlichen Lösung der Kurdenfrage als terroristisch. Dies hat zur Folge, daß zahlreiche Büros der »HADEP« gestürmt werden, viele ihrer Mitglieder verhaftet werden und die »HADEP« auf-grund vermeintlicher Unterstützung der PKK vor der Wahl am 18. April diesen Jahres verboten werden soll.
In den kurdischen Städten, z.B. in Diyarbakir, werden Protestaktionen gegen die Auslieferung Öcalans an die Türkei wie Ladenschließungsaktionen gewaltsam vom türkischen Militär beendet. Die militärische Präsenz in den kurdischen Gebieten wurde enorm verstärkt, um jegliche Protest-aktionen zu unterdrücken.
Unmittelbar nach der Überstellung Öcalans an die Türkei ist das türkische Militär im Nord-Irak ein-marschiert.
 

2. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen eine Delegation zu den Prozessen gegen die prokurdi-sche »HADEP« und Öcalan zur Beobachtung der Menschenrechtslage in der Türkei.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben sich in der Vergangenheit immer für eine friedliche Lösung des Kurdenkonfliktes und für die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei eingesetzt.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben in der Vergangenheit die Bundesregierung aufgefordert, eine aktive Politik zum Schutz der Menschenrechte in der Türkei zu betreiben. Gefordert wurde, daß die Bundesregierung keine Waffen oder andere Rüstungsgüter an die Türkei liefert, insbesondere auch nach Bekanntwerden, daß Panzer aus ehemaligen NVA-Beständen gegen die kurdische Be-völkerung eingesetzt wurden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben die Bundesregierung stets aufgefordert, sich auf internationaler Ebene - EU, UN etc. - für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage und die Einhaltung der Men-schenrechte in der Türkei einzusetzen und die Türkei aufgrund der anhaltenden Menschenrechts-verletzungen international zu verurteilen (siehe Antrag 13/8565). Die wiederholten, völkerrechts-widrigen Invasionen des türkischen Militärs in den Nord-Irak wurden von uns scharf kritisiert.
Ferner haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in zahlreichen parlamentarischen Initiativen darauf hin-gewiesen, daß insbesondere kurdische Flüchtlinge nach Abschiebung von Folter
und Mißhandlung bedroht sind und daß türkische Sicherheitsgarantien
(Kanther-Mentese-Abkommen) nicht eingehalten wurden.

3. Um so unverständlicher ist die in Drucksache 14/383 zum Ausdruck gebrachte Haltung der rot-grünen Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der PDS. Hierin wird die Politik der ehemaligen Bundesregierung schön geredet und eine Fortsetzung der von uns aufs heftigste kritisierten Politik zum Ausdruck gebracht, wenn es heißt:
"Die Bundesregierung verfügt über keine Erkenntnisse, daß aus Deutschland gelieferte Waffen von den türkischen Streitkräften gegen die kurdische Zivilbevölkerung (. . .) eingesetzt wurden. Sie ist in der Vergangenheit allen Hinweisen auf einen vermuteten Einsatz durch die Türkei entgegen vertraglichen Zusicherungen oder Endverbleibszusagen sehr sorgfältig nachgegangen."
Entgegen der bisherigen Politik von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist in der Antwort auf die Kleine Anfrage zu lesen:
"Im Einklang mit den europäischen Partnern ist sie (die Bundesregierung) der Auffassung, daß die Türkei die Bekämpfung des Terrorismus unter Beachtung der Menschenrechte und des Grundsat-zes der Verhältnismäßigkeit führen muß."
Auch die Aussage "Nur die Türkei selbst kann die Probleme im Südosten (sic!) lösen. Die Bundes-regierung sieht hierin ein dringendes Interesse und ist bereit, jede ihr mögliche Unterstützung zu leisten" widerspricht den bisherigen Forderungen bündnisgrüner Türkeipolitik nach einer aktiven Außenpolitik zum Schutz der Menschenrechte und zur friedlichen Lösung der Kurdenfrage in der Türkei.

4. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden ihre bisherige Politik, die sich an Menschenrechten und einer friedlichen Lösung des Kurdenkonfliktes orientiert, fortsetzen. Wir setzen uns u.a. ein:

  • für einen Abschiebestopp von KurdInnen und TürkInnen in die Türkei;
  • für die Verurteilung der andauernden und zunehmenden Menschenrechtsverletzungen und eine Politik, die die Türkei auf bilateraler Ebene zur Einhaltung der Menschenrechte drängt;
  • für die Verurteilung der völkerrechtswidrigen Invasion des türkischen Militärs im Nord-Irak und eine Politik, die die Türkei dazu auffordert, keine weiteren Interventionen durchzufüh-ren;
  • für einen sofortigen, von allen Seiten einzuhaltenden Waffenstillstand und den Beginn eines Dialogs;
  • gegen die Lieferung von Waffen und anderen Rüstungsgütern an die Türkei;
  • für eine baldige Initiative der Bundesregierung im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft zur Einberufung einer internationalen Konferenz zur Lösung der Kurdistanfrage;
  • für die Entwicklung und Unterstützung von Konzepten zur friedlichen Beilegung der Kurden-frage und den Einsatz für eine aktive Politik zur Lösung der Kurdenfrage auf der internatio-nalen Ebene - in der EU, UN und bei den USA. Diese könnten darin bestehen, konkrete Schritte für eine aktive Vermittlung und Vertrauensbildung in dem Konflikt einzuleiten;
  • für eine zeitlich und inhaltlich definierte Strategie innerhalb der EU, die eine ehrliche Bei-trittsperspektive für die Türkei an klar definierte Konditionen knüpft und hierbei dem Fort-schritt in Menschenrechtsfragen und in der friedlichen Lösung der Kurdenfrage Priorität ei-einräumen.
  • Für eine konsequente Politik von UNO, OSZE, NATO und des Europarates, die auf die Ein-haltung der Menschenrechte und eine friedliche Lösung der Kurdenfrage zielt durch:
  • die Einleitung vertrauensbildender Maßnahmen;
  • die Einsetzung eines UN-Sonderberichterstatters für die Türkei, der mit der Untersuchung
  • der Verstöße der UN-Konventionen und der Europäischen Menschenrechtskonvention be-auftragt wird;
  • die Verabschiedung einer Resolution im Rahmen der OSZE, mit der die Türkei aufgefordert
  • wird, eine Sachverständigenkommission zur Untersuchung der Menschenrechtssituation in die Türkei einreisen zu lassen;
  • die Verurteilung grenzüberschreitender Operationen im Nord-Irak durch die NATO.