Beschluß der 8. Ordentlichen Bundesversammlung
29.11.-1.12.1996 im Congress Centrum Suhl
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B-W-1 Gegenstand:
Steuerreform

Die grüne Steuerreform: sozial - gerecht - transparent - ökologisch
Umsteuern in der Steuerpolitik - Entlastung für Viele statt Umverteilung nach oben

Während die Haushaltslöcher der Bundesregierung ozeanische Ausmaße annehmen, verspricht sie gleichzeitig Steuersenkungen. Damit wird ein in der Bevölkerung weit verbreiteter Unmut über die Abgabenbelastung aufgegriffen. Der Zugriff des Staates auf das Einkommen der „Normal-verdienerIn" stößt an Grenzen der Akzeptanz. Die Bundesregierung aber stellt die Situation so dar, als habe sie nichts damit zu tun. Tatsächlich hat sie diese unerträgliche Belastung selbst herbeigeführt. Wenn Parteien, die seit 14 und mehr Jahren die Bundesregierung stellen, sich heute als Steuersenkungspartei verkleiden, dann ruft der Räuber: Haltet den Dieb.
Die CDU/CSU/FDP-Bundesregierung trägt die Verantwortung dafür, daß die Belastung mit Steuern und Abgaben sozial höchst ungleich verteilt ist: Während die Inanspruchnahme der durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen durch Lohnsteuer und Sozialabgaben kontinuierlich gestiegen ist, ist der Anteil der Steuern aus Unternehmertätigkeit und Vermögen am Gesamtsteueraufkommen drastisch zurückgegangen.
Die Regierung Kohl hat so eine systematische Umverteilungspolitik von unten nach oben betrieben. Heute ist die Kluft zwischen Armut und Reichtum so groß wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik.

Die neoliberale Ideologie der CDU/CSU-FDP-Koalition, nach der immer niedrigere Steuern für Unternehmen und Besserverdienende und immer höhere Gewinne für Unternehmen mehr Investitionen und damit mehr Arbeitsplätze ermöglichen sollen, hat in Deutschland ebenso versagt wie in den USA unter Ronald Reagan und in Großbritannien unter Margaret Thatcher. Die Folgen einer verfehlten Finanz- und Wirtschaftspolitik haben in der Bundesrepublik zu lauter Negativ-Rekorden geführt: Obwohl die Steuern für Unternehmen ein Rekord-Minus erreicht haben (und demnach die Investitionsbedingungen für Unternehmen der neoliberalen Ideologie zufolge optimal sein müßten), hat die Arbeitslosigkeit ein trauriges Rekord-Niveau erreicht. Gleichzeitig ist die Staatsverschuldung auf Rekord-Niveau gestiegen. Mit umfangreichen Steuererhöhungen hat die Bundesregierung die Belastung für BezieherInnen von Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit und für Konsumenten unerträglich in die Höhe getrieben.

Die deutsche Einheit hat sich dabei nicht als finanzpolitische Bürde für die Bundesregierung erwiesen, sondern die Bundesregierung als politische Bürde für die Bewältigung der deutschen Einheit. Nach 1989 hat die Bundesregierung ihren neoliberalen Kurs noch beschleunigt: West-Unternehmen erhielten umfangreiche Subventionen für ihr Engagement im Osten, ehemalige Treuhand-Unternehmen wurden zu „negativen Kaufpreisen" veräußert. Dadurch hat sich die Staatsverschuldung innerhalb von fünf Jahren (von 1053,5 Milliarden Mark 1990 auf 1994,5 Milliarden Mark 1995) fast verdoppelt. Trotz der rapide steigenden Staatsverschuldung ist die Bundesrepublik in diesem Zeitraum volkswirschaftlich nicht ärmer, sondern reicher geworden: Die privaten Geldvermögen stiegen von 3187,6 Milliarden Mark auf 4647,6 Milliarden Mark.

Wirtschaftspolitisch haben diese gestiegenen Geldvermögen allerdings keine Anlage-Investitionen nach sich gezogen, die neue Arbeitsplätze geschaffen hätten; vielmehr vagabundieren diese Gelder als Spekulationsgeld in der Weltwirtschaft. Spekulationsbedingte Verschiebungen bei den Wechselkursen schlagen sich realwirtschaftlich nieder und verschieben die Wettbewerbsposition einzelner Länder zum Teil dramatisch.

Die Steuer- und Abgabenbelastung von Spitzenverdienern sowie auf Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen ist zwar auf dem Papier mit über 50% sehr hoch, doch tatsächlich können hohe Einkommen ihre Steuerbelastung durch ganz legale Maßnahmen und einen Dschungel voll Steuervergünstigungen so senken, daß die tatsächliche Belastung mit ca. 35% weitaus niedriger liegt.
Die Unübersichtlichkeit und die zahlreichen Sonderregelungen des Steuerrechts haben dazu geführt, daß Bezieher hoher Einkommen sich mit Hilfe eines wachsenden Berufsstands von Steuer- und Anlageberatern ihrer Steuerpflicht auf ganz legalem Weg zu einem Gutteil entziehen können. „Steuersparmodelle" auf der Basis von Sonderabschreibungen und Verlustzuweisungen führen zu Steuerausfällen in Zig-Milliarden-Höhe und begünstigen die Vermögensbildung in der Hand der schon Vermögenden. Explodierende Staatsschulden und wachsende öffentliche Armut gehen so mit wachsendem privaten Reichtum für wenige einher.
Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit. Wenn alle entsprechend ihres Leistungsvermögens Steuern zahlen, müssen viele weniger zahlen. Wir fordern deshalb eine radikale Vereinfachung und Entrümpelung des Steuerrechts, mit der zugleich die Steuergerechtigkeit wiederhergestellt wird. Der Grundsatz der Besteuerung entsprechend der Leistungsfähigkeit muß verwirklicht werden. Mit dem Schließen der Schlupflöcher aus der Steuerpflicht können die Freibeträge für das steuerfreie Existenzminimum angehoben und der nominale Einkommensteuersatz gesenkt werden.
Die Bundesregierung verspricht Steuerentlastungen für Spitzenverdiener, Vermögende und Unternehmen, deren Zeche dann mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer insbesondere von den kleinen und mittleren Einkommen und von den SozialhilfeempfängerInnen, den StudentInnen und Arbeitslosen gezahlt werden muß. Also von denjenigen sozial schwachen Menschen in unserem Land, die noch nicht einmal Vorteile von Maßnahmen zur Steuerentlastung haben, weil sie keine direkten Steuern zahlen.

Diese Politik hat schon bisher wachsende Massenarbeitslosigkeit nicht verhindern können. Sie ist auch in anderen Ländern spektakulär gescheitert und hat neue Defizite der Staatsverschuldung produziert.

Grüne Steuerpolitik will dagegen das Steuersystem in Deutschland zukunftsfähig reformieren. Wir wollen eine Steuerreform, die den ökologischen Umbau unterstützt, den Wohlstand und die Steuerbelastung in Deutschland gerechter verteilt, das Steuersystem vereinfacht und der Wirtschaft verläßliche Rahmenbedingungen im nationalen und internationalen Wettbewerb anbietet. Das Gesamtsteueraufkommen muß eine ausreichende Ausstattung der öffentlichen Haushalte zur Bewältigung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewährleisten - auch und gerade angesichts der Herausforderungen, die sich aus der Deutschen Einheit ergeben:

Ergänzt werden muß dies durch eine grundlegende Reform der Gemeindefinanzen sowie einen sofortigen Einstieg in eine ökologisch-soziale Steuerreform.

Die Kommunen brauchen eine verfassungsrechtliche Absicherung gegen die Bestrebungen der Bundesregierung, sich immer wieder zu ihren Lasten zu sanieren, indem Probleme wie die wachsende Armut verlagert und gleichzeitig steuerpolitische Gefälligkeiten zu Lasten der Gemeindekassen verteilt werden.

Nur ein sofortiger Einstieg in eine ökologisch-soziale Steuerreform ist in der Lage, die schweren ökonomischen wie ökologischen Strukturdefizite der Bundesrepublik nachhaltig anzugehen. Sie ist der Schlüssel für eine wirksame Senkung der Abgabenlast. Wer steigende Sozialabgaben nicht nur verhindern, sondern die Beiträge und damit die Lohnkosten spürbar senken will, kommt an ihr nicht vorbei.

Für eine grundlegende Reform der Einkommensteuer

1. Wir wollen eine umfassende Reform der Einkommensteuer - einschließlich einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Wir wollen nicht zulassen, daß lediglich Flickschusterei am bestehenden System betrieben wird. Vereinfachen und Entrümpeln - das ist das Gebot der Stunde. Steuervergünstigungen, steuerliche Sonderregelungen und Subventionen müssen weitestgehend gestrichen werden. Damit soll künftig legale Steuervermeidung verhindert werden . Dadurch wird gewährleistet, daß alle Einkünfte tatsächlich einer angemessenen Besteuerung unterliegen. Die, die heute unangemessen von Steuervergünstigungen profitieren, werden zukünftig mehr zahlen müssen. Eine Tarifsenkung muß - auch unter Berücksichtigung wegfallender Pauschalen - zur erforderlichen Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen führen.

2. Wir streben die Erhöhung des Grundfreibetrages auf 15.000 DM und einen Eingangssteuersatz von 20 % in 1998 an.

3. Wir fordern eine Reform der Familienbesteuerung. Das Ehegattensplitting wird aufgehoben. Nicht die Ehe an sich bedarf des besonderen Schutzes des Staates, sondern das Zusammenleben mit Kindern. Alle Personen sollen grundsätzlich individuell besteuert werden. Für Ehepaare werden jedoch bestimmte Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigt. Vom Einkommen des allein- oder besserverdienenden Ehepartners werden Einkommensanteile bis zur Höhe des Existenzminimums auf den anderen Ehepartner fiktiv übertragen. Sobald beide Einkommen das Existenzminimum überschreiten, hört die Vergünstigung auf.

4. Wir wollen einen gerechten Kinderlastenausgleich durch ein einheitliches Kindergeld. Der Kinderfreibetrag soll daher endgültig entfallen. Es ist nicht einzusehen, warum Familien mit hohen Einkommen immer noch durch Kinderfreibeträge steuerliche Vorteile gegenüber anderen Familien mit niedrigerem Einkommen haben sollen.

5. Wir fordern einen durchgängig progressiven Steuertarif. Stufen-tarife führen zu willkürlichen Grenzsteuerbelastungen, die wir ablehnen. Steuerliche Gerechtigkeit muß durch einen gleichmäßigen Tarifverlauf durchgesetzt werden.

6. Wir wollen die steuerliche Gleichbehandlung aller Einkunftarten. Das heutige Einkommensteuerrecht weist tiefe Widersprüche bei der Feststellung und Bewertung des zu versteuernden Einkommens auf. Unterschiedliche und willkürliche Freibetragsregelungen z.B. verwirren die Übersicht über das tatsächlich erzielte Einkommen der Steuerpflichtigen. So werden landwirtschaftliche Einkünfte anders behandelt als Einkünfte aus einem Beschäftigungsverhältnis. Gewerbliche Einkünfte haben einen niedrigeren Spitzensteuersatz als private Einkünfte. Veräußerungsgewinne werden ebenfalls nicht gleichmäßig zur Besteuerung herangezogen. Das muß in Zukunft anders werden.

7. Bislang steuerfreie Einkünfte sollen, soweit das Gesamteinkommen das steuerfreie Existenzminimum übersteigt, ebenfalls in die Besteuerung einbezogen werden. Dabei müssen Übergangsfristen und -re-gelungen berücksichtigt werden.

8. Steuervergünstigungen müssen abgebaut werden. Bestimmte Bereiche bislang steuerlicher Förderung müssen aber weiterhin vom Staat unterstützt und gefördert werden. Dabei bevorzugen wir grundsätzlich eine direkte Förderung. Vergünstigungen, die an der Einkommensentstehung anknüpfen, sollen zukünftig direkt subventioniert werden. Vergünstigungen, welche die Einkommensverwendung betreffen, sollen ausschließlich bei der Steuerschuld berücksichtigt werden. Grundsätzlich gilt: BezieherInnen hoher Einkünfte dürfen von Subventionen nicht mehr profitieren als kleine und mittlere Einkommen.

9. Gewollte Steuervergünstigungen müssen regelmäßig einer parlamentarischen Kontrolle unterzogen werden. Damit soll verhindert werden, daß Interessenpolitik erneut das Steuerrecht in einen unübersehbaren Dschungel von komplizierten und mißbrauchsanfälligen Regelungen verwandelt und Besitzstandswahrung über Steuergerechtigkeit und Transparenz triumphiert.

10. Wir fordern gleichmäßige Besteuerungsverfahren und Steuererhebung. Auf alle (potentiell) erzielten Einkünfte müssen im Laufe des Jahres Steuervorauszahlungen geleistet werden. Dies erfolgt teilweise über einen Steuerabzug an der Quelle. Den Quellenabzug gibt es heute bei Lohnsteuer und beim Zinsabschlag. Eine Ausdehnung des Quellenabzugs auf weitere Einkunftarten muß geprüft werden.

11. Wir fordern eine aufkommensneutrale Einkommensteuerreform. Angesichts der angespannten Haushaltslage in Bund, Ländern und Kommunen sowie den notwendigen Aufbauhilfen für die ostdeutschen Bundesländer ist es WählerInnenbetrug und unverantwortliche Politik, den Menschen zu versprechen, daß die Gesamtbelastung an Steuern und Abgaben kurzfristig gesenkt werden kann. Die sozialen und ökonomischen Herausforderungen in Deutschland am Ende des 20. Jahrhunderts verlangen eine solidarische und gerechte Lastenteilung. Deshalb muß eine Reform der Einkommensteuer aus sich selbst heraus finanziert werden.

Eine umfassende Reform der Vermögens- und der Erbschafts- und Schenkungssteuer

Schätzungen besagen, daß sich das Gesamtvermögen in Deutschland auf über 22 Billionen DM beläuft. Staatliche Maßnahmen und wirtschaftlicher Erfolg haben den Aufbau hoher Vermögenswerte in der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellen fest, daß dieser volkswirtschaftliche Wohlstand extrem ungleich verteilt ist. Gut ein Drittel des Privatvermögens in Deutschland konzentriert sich in den Händen von nur 5,5 v.H. aller Haushalte. Darüber hinaus wird die steuerliche Leistungsfähigkeit von Vermögensbesitzern nicht in dem Maße ausgeschöpft, wie es angesichts der anhaltenden Finanzkrise der öffentlichen Haushalte und zur Aufrechterhaltung sozialstaatlicher Errungenschaften in Deutschland erforderlich ist.

1. Die Vermögenssteuer darf auf keinen Fall gestrichen werden. Die Sparpakete der Bundesregierung belasten einseitig ArbeitnehmerInnen, erwerbslose Menschen und Familien mit Kindern und verteilen Steuergeschenke für Reiche. Diese Politik der sozialen Kälte lehnen wir strikt ab. Hohe Vermögenswerte müssen im Gegenteil stärker als bisher zur Finanzierung sozialstaatlicher Notwendigkeiten herangezogen werden. Wenn die Bundesregierung zum Jahresende die Erhebung der Vermögenssteuer auslaufen läßt, werden wir uns für eine Wiedereinführung einsetzen.

2. Wir fordern eine Neuregelung der Vermögens-, der Erbschafts- und Schenkungssteuer mit dem Ziel größerer Verteilungsgerechtigkeit und höheren Aufkommens. Die Neuregelung der Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung muß die Steuerfreiheit des Familiengebrauchsvermögens in Höhe eines durchschnittlichen Einfamilienhauses berücksichtigen. Wir fordern auch, daß die LebenspartnerInnen unverheirateter Paare bei der Vererbung steuerlich nicht länger gegenüber den Ehepaaren benachteiligt werden.

Neubewertung von Grundbesitz

1. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern, daß alle Vermögenswerte steuerlich gleich behandelt werden. Deshalb soll zukünftig auch Grundbesitz mit gegenwartsnahen Werten erfaßt werden.

2. Übergangsweise soll für die Grundsteuer der Kommunen die alte Einheitsbewertung weitergelten. Übergangsweise soll die Grunderwerbssteuer in den neuen Ländern wie bisher auf der Grundlage der alten Einheitswerte erhoben werden.

Reform der Vermögenssteuer

1. Wir stellen künftig das persönliche Gebrauchsvermögen durch angemessene Erhöhung der persönlichen Freibeträge auf 350.000 DM und für Kinder auf 100.000 DM frei.

2. Der Freibetrag für Betriebsvermögen soll auf 1.000.000 DM erhöht werden. Damit wollen wir verhindern, daß die Neubewertung von betrieblichen Grundstücken zu einer steuerlichen Überlastung kleiner Betriebe führt.

3. Die Steuersätze auf Privatvermögen in Höhe von 1% jährlich sollen erhalten bleiben. Betriebliches Vermögen wird wie bisher mit dem halben Steuersatz besteuert.Die Kosten des Anschlusses der DDR, die daraus resultierende Verschuldungsspirale und die Massenerwerbslosigkeit sind mit den gebräuchlichen Mitteln der Fiskal- und Finanzpolitik nicht zu bewältigen. Deshalb müssen die Besitzer großer Vermögen durch einen Lastenausgleich stärker in die Solidarpflicht genommen werden. Als Beitrag zur Finanzierung der Deutschen Einheit beträgt deshalb für einen Zeitraum von 15 Jahren der Steuersatz für Privatvermögen von mehr als 2.000.000 DM nach einem progressiven Tarif bis 2,5 % jährlich.

Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer

1. Das Aufkommen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer soll erhöht werden. Zur Wahrung der verfassungsrechtlich geforderten Freistellung des Familienvermögens im Wert eines durchschnittlichen Einfamilienhausesfordern wir die Einführung eines Freibetrages auf das gesamte Erbe in Höhe von 400.000 DM (Nachlaßfreibetrag). Darüber hinaus treten wir für folgende Änderungen ein:

2. Die persönlichen Freibeträge sollen entfallen.

3. Der Versorgungsfreibetrag für Ehegatten und Kinder wird einheitlich auf 100.000 DM festgelegt. Ein zusätzlicher Versorgungsfreibetrag in Höhe von 100.000 DM soll für überlebende Ehegatten ab dem 60. Lebensjahr und Schwerbehinderte gewährt werden.

4. Der Freibetrag für Betriebsvermögen wird verdoppelt auf 1.000.000 DM, damit vor allem kleine Betriebe nicht durch die höhere Bewertung von Grundbesitz bei der Erbschaftssteuer zur Betriebsaufgabe gezwungen werden. Es muß sichergestellt bleiben, daß nicht durch kurzfristige Umwidmungen in Betriebsvermögen Privatvermögen der Erbschaftssteuer entzogen wird.

5. Wir wollen nur noch zwei Steuerklassen. Die Steuerklasse, in der der Nachlaßfreibetrag gewährt wird, wird nur den Personen gewährt, zwischen denen Unterhaltsverpflichtungen bestehen. Lebensgemeinschaften, uneheliche Kinder, Adoptivkinder und Pflegekinder sollen mit ehelichen Partnerschaften und Kindern gleichgestellt werden.

6. Wir senken die Steuersätze auf höchstens 45 %. Damit wird die Neubewertung von Grundbesitz berücksichtigt. Wir sind aber der Auffassung, daß vor allem große Vermögen beim Übergang in die nächste Generation zur sozial gebotenen Umverteilung herangezogen werden müssen.

Spekulation besteuern – Kapitalflucht eindämmen

Bei einer umfassenden Steuerreform sind begleitende Maßnahmen notwendig: Kapitalflucht muß eingedämmt werden, spekulatives Kapital muß steuerlich anders behandelt werden als produktives.

1. Wir wollen eine größere Dichte bei Betriebsprüfungen erreichen. Ein großer Teil der heutigen Steuerausfälle, die aus Steuerhinterziehung und Steuerverkürzung entstehen, können durch eine größere Prüfungsdichte im Bereich der Steuerfahndung und Betriebsprüfung reduziert werden. Eine Bereinigung des Steuerrechts von seinem Vorschriftengestrüpp setzt Kräfte für solche Aufgaben frei.

2. Der Steuersenkungswettlauf in den Mitgliedsländern der Europäischen Union muß gestoppt werden. Es müssen europäische Regelungen zur besseren Kontrolle der Zinseinkünfte gefunden werden. Dazu gehört, daß Kapitaleinkünfte in Europa besser erfaßt und der Besteuerung zugeführt werden, und die Unternehmensbesteuerung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Steueroasen im europäischen Ausland müssen auch im Interesse gleicher Wettbewerbsbedingungen in einer europäischen Union geschlossen werden.

3. Wir fordern eine Devisenumsatz- und Transaktionssteuer, um Spekulation und Kapitalflucht einzudämmen. Damit wollen wir die zunehmende Verlagerung der Investitionen von der Sachanlage zur Geld- und Vermögensanlage, vom realwirtschaftlichen Engagement zur Finanzspekulation bremsen und schließlich umkehren. Der Vorschlag des US-Nobelpreisträgers James Tobin einer kombinierten Spekulationssteuer - 1% Devisenumsatzsteuer, 2% Transaktionssteuer auf alle Aus-leihungen inländischer Währung an Ausländer - stellt hierzu eine wirkungsvolle Gegenmaßnahme dar, wenn diese zwischen der Gemeinschaft und den übrigen Ländern der Welt erhoben wird. Langfristige Kapitalanlagen würden dadurch kaum belastet, die kurzfristige Spekulation auf marginale Renditeunterschiede aber erheblich eingedämmt. So würde auf marktverträgliche Weise ein Teil der Deregulierung des Kapitalverkehrs zurückgenommen und mehr Stabilität in die Währungsrelationen gebracht. Eine gemeinsame Einführung im Rahmen der Europäischen Union ist dabei anzustreben. Das Europäische Parlament hat bereits wiederholt eine Steuer gegen die Spekulation gefordert.


© BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1996
Letzte Änderung: 16.12.96