Beschluß der 8.
Ordentlichen Bundesversammlung 29.11.-1.12.1996 im Congress Centrum Suhl | |
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B -V-9 | Gegenstand: Europol-Konvention | |
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern Bundestag und Bundesrat auf, die
EUROPOL-Konvention nicht zu ratifizieren.
Vorrang für
ursachenorientierte Kriminalitätsbekämpfung
Die Konvention der Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Gründung eines europäischen Polizeiamtes EUROPOL steht jetzt in der Bundesrepublik zur Ratifizierung an. Bündnis 90/Die Grünen fordern den Deutschen Bundestag und den Bundesrat auf, diese Konvention,
nicht zu ratifizieren. Die rot-grün regierten Länder fordern wir auf, eine Verfassungsklage vorzubereiten. Polizei-Praktiken, die auf nationaler Ebene nicht durchsetzbar wären, dürfen nicht über den Umweg Europa etabliert werden.
Das in den letzten Jahren beschworene Schreckensbild der »organisierten Kriminalität«, die Europol zu bekämpfen vorgibt, dient als Türöffner für den Abbau rechtsstaatlicher Errungenschaften. Die Aufgaben, für die Europol zunächst zuständig sein soll, orientieren sich an den Ängsten der »kleinen Leute«: vor Drogendealern, Menschenhändlern und Kinderschändern, Autoschmugglern und illegalen Einwanderern. Dieses Bedrohungsszenario verspricht eine erhöhte Akzeptanz für Europol.
Demokratische Errungenschaften wie Datenschutz, Bürgerrechte und staatliche Gewaltenteilung werden dem möglichst reibungslosen Funktionieren von Europol untergeordnet.
Europol ist keiner demokratischen Kontrolle unterworfen: Die Konvention ist hinter verschlossenen Türen zustandegekommen, die Parlamente sollen ihr nur noch nachträglich zustimmen und dann allenfalls - ebenso wie das Europaparlament - einen jährlichen Tätigkeitsbericht entgegennehmen.
Europol unterliegt keiner juristischen Kontrolle: Das neue Amt ist eine eigenständige Rechtspersönlichkeit und handelt weder auf Weisung eines Staatsanwaltes noch auf Anordnung eines Gerichts. Die Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof ist nur unzureichend geregelt und wird in den Staaten der EU unterschiedlich gehandhabt werden.
Europol weitet seine Aufgaben beständig aus: Ursprünglich zuständig für die Bekämpfung von Drogenkriminalität, soll Europol jetzt u.a. auch sogenannte Schlepperkriminalität, Kraftfahrzeugverschiebung und Menschenhandel bearbeiten. Darüber hinaus gibt es eine lange Liste weiterer Bereiche, für die Europol später zuständig werden und sogar exekutive Befugnisse erhalten soll. Aktuell diskutiert die europäische Regierungskonferenz bereits eine entsprechende Änderung des Maastrichter Vertrages. Die deutschen Außen- und Justizminister wollen solche Befugnisse schon auf dem kommenden EU-Gipfel im Dezember durchsetzen.
Europol erhält eine Blankovollmacht zur weitreichenden Überwachung auch unverdächtiger Bürger: Europol könnte jeden beobachten lassen und soll eine Vielzahl sensibler Daten sammeln - etwa über rassische, politische oder sexuelle »Auffälligkeiten«. Eine Straftat wäre nicht mehr nötig, um ins Fadenkreuz der neuen Behörde zu geraten; auch potentielle Zeugen oder Opfer könnten schon im Vorfeld beobachtet werden. Eine unabhängige und eigenständige Datenschutzkontrolle ist nicht vorgesehen.
Europol ist kein Beitrag zu einer an den Deliktursachen orientierten Kriminalpolitik: Zeitgleich werden z.B. eine Änderung der repressiven deutschen Drogenpolitik, eine Abmilderung der Drittstaatenregelung für Asylsuchende, die »Schleppern« hohe Verdienstmöglichkeiten eröffnet, oder der Abbau des ökonomischen Gefälles zwischen Ost und West weiter vernachlässigt. Eine Politik klassisch bürokratischer Rezepte gegen Kriminalität ist jedoch nicht nur unzureichend und gefährlich; sie ist auch zum Scheitern verurteilt.
Eine unbestritten notwendige Zusammenarbeit auch der europäischen Sicherheitsbehörden würde durch die geplante zentrale Polizei-Bürokratie nicht gefördert, sondern eher behindert. Die Bundesregierung sollte darum eine Alternativplanung für eine demokratisch kontrollierte europäische Polizeikooperation vorlegen.
© BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN 1996
Letzte Änderung: 16.12.95