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Beschluß der 8.
Ordentlichen Bundesversammlung 29.11.-1.12.1996 im Congress Centrum Suhl |
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B -V-8
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Gegenstand: Genteschnisch
veränderte Lebensmittel |
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Mit GenTech-Soja auf dem falschen Dampfer!
Erstmals sind im April diesen Jahres gentechnisch veränderte
Sojabohnen in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr
zugelassen worden. Die herbizidresistente Sojabohne des US-Konzerns Monsanto ist
die erste gentechnisch veränderte Nutzpflanze, die zur breiten Vermarktung
freigegeben wurde. Skandalös ist, daß seit einigen Wochen die
GenTech-Soja aus den USA in den europäischen Häfen anlandet und selbst
darüber die Öffentlichkeit nicht informiert wird. In Kürze
gelangt die GenTech-Soja ungekennzeichnet auf den Markt.
Etwa 2
Prozent des Ernteaufkommens der USA von 61 Mio. Tonnen werden dieses Jahr aus
gentechnisch manipulierter Soja bestehen - zur Jahrtausendwende hofft Monsanto
auf einen Anteil von 40 Prozent GenTech-Soja. Da die genmanipuliertem Sojabohnen
mit herkömmlichen Sojabohnen gemischt werden, enthält inzwischen jede
Lieferung aus den USA möglicherweise gentechnisch veränderte »Roundup-Ready-Soy-beans«.
Es besteht kein Grund, die in den Südstaaten der USA angebaute GenTech-Soja
mit der herkömmlichen, aus den nördlichen Staaten stammenden Soja, zu
mischen. Auch stehen mehrere Verfahren zur Verfügung, um eine
Genmanipulation der Soja nachzuweisen. Gentechnikfreie Soja aus den USA ist also
möglich.
In Deutschland werden pro Jahr rund 3,5 Millionen
Tonnen Sojabohnen verarbeitet. Ohne Kennzeichnung dürfen die GenTech-Bohnen
dann in Fisch- und Fleischprodukten, Eiscreme und Konfekt, Mayonnaise und
Kartoffelchips und weiteren Produkten verarbeitet werden. Soja findet sich in
insgesamt über 20.000 Lebensmittelprodukten.»Roundup-Ready-Soybeans«
wurden im Labor der US-Firma Monsanto entwickelt. Eine Gensequenz, die den
Pflanzen eingesetzt wurde, bewirkt deren Resistenz gegen das Totalherbizid »Roundup«.
Dieses Gift, das sämtliche Unkräuter auf dem Sojafeld vernichtet,
findet sich ebenfalls im Angebot von Monsanto und wird als »Roundup-Paket«
an die Landwirte verkauft. Diese werden in eine völlige Abhängigkeit
gedrängt.
Entmündigung der VerbraucherInnen
Wer Lebensmittel
einkauft, möchte wissen, wie diese produziert werden, welche Inhaltsstoffe
darin enthalten sind und welche Umwelt- und Gesundheitsrisiken in Kauf genommen
werden müssen. Das Recht des Einzelnen, sich für oder gegen bestimmte
Produkte zu entscheiden, kann jedoch nur bei einer umfassenden
Informationspflicht für die Hersteller gewahrt bleiben. Über dieses
Recht setzte sich die Europäische Kommission hinweg. Einer Zulassung ohne
Kennzeichnung wurde zugestimmt. Neun von zehn VerbraucherInnen in Europa fordern
jedoch eine generelle Kennzeichnung von Lebensmitteln aus dem Genlabor. Die
Bundesregierung hatte sich nicht gegen die fehlende Kennzeichnung gewandt - auch
die deutschen Vertreter haben für die Marktzulassung der GenTech-Soja
gestimmt.
Obwohl die Novel-Food-Verordnung, welche die Zulassungskriterien für
gentechnisch manipulierte Lebensmittel für die EU regeln soll, im
Vermittlungsausschuß zwischen Ministerrat und Europäischem Parlament
noch diskutiert wird, wurden bereits Fakten geschaffen. Durch den undeklarierten
Einsatz von GenTech-Soja aus den USA wird das Vertrauen der KonsumentInnen in
Lebensmittel nach dem BSE-Skandal ein weiteres Mal erschüttert.
Sollten
sich wider Erwarten die gesundheitlichen und ökologischen Gefahren nicht
bestätigen, steht den VerbraucherInnen ein neuer Großangriff auf ihre
Gesundheit bevor. In den USA soll bereits die nächste Generation
gentechnisch veränderter Sojabohnen freigesetzt werden: Sojabohnen, denen
ein »Kälte-Resistenz-Gen« aus einem Bodenbakterium eingefügt
wurde.
Gesundheitliche Risiken
- Indem Organismen fremde Gene eingepflanzt werden, kann sich ihr allergenes
Potential beträchtlich erhöhen. Bereits geringfügige Abweichungen
in der Proteinstruktur, den Produkten der eingefügten DNA, können zum
Teil tödliche verlaufende Immunreaktionen bewirken.
- Bei der Verdauung wird die Soja-DNA nicht etwa vollständig zerstört,
sondern Bruchstücke mit einer Größe von bis zu einem Viertel der
Gesamt-DNA, also funktionsfähige Genabschnitte, können über die
weißen Blutkörperchen in die Blutbahn gelangen oder von den
lebenswichtigen E-Coli-Bakterien im Darm aufgenommen und in die E-Coli-DNA
integriert werden. Muskelzellen können freie DNA, wie sie im menschlichen
Blut vorkommt, aufnehmen und produzieren sogar das auf dem DNA-Abschnitt
kodierte Protein, das sich als starkes Allergen erweisen kann. Die
VerbraucherInnen werden durch Monsantos GenTech-Soja zum großen
Experimentierfeld.
- Wer hätte schon vermutet, daß eine genmanipulierte Sojasorte
der US Firma Hi-Bread International, der ein Genabschnitt der Paranuß übertragen
würde, als starkes Allergen wirkt? Dieses Produkt konnte gerade noch
rechtzeitig aus dem Marktzulassungsverfahren in den USA genommen werden. Mit der
ungekennzeichneten Vermarktung kann das Einkaufen für Allergiker zum
Russisch-Roulette werden.
- Das Doppelpack GenTech-Soja und Totalherbizid mag doppelten Profit für
Monsanto bringen. Für Landwirte bedeutet es ein Extra-Risiko: Der Wirkstoff
von Roundup, Glyphosat, ist in Kalifornien schon jetzt die dritthäufigste
Ursache für Krankheiten unter Landwirten, die durch Pestizide verursacht
werden. Glyphosphatrückstände finden sich bereits in verschiedenen
Sojaprodukten. Der Einsatz dieser Chemiekeule ist ein weiterer Rückschlag für
eine umweltfreundliche, nachhaltige Landwirtschaft.
Ökologische Risiken
- Die »Roundup-Ready-Soybean« wurden von Monsanto entwickelt,
damit der Konzern mehr von seinen Herbiziden absetzen kann. Das Herbizid Roundup
kann schon bei den üblichen Anwendungsmengen gefährlich sein. Als Gift
verschmutzt es Wasser, tötet Fische und bedroht die Vielfalt von Wildkräutern.
Es zerstört Mikroorganismen, Würmer und Pilze, die für die
Bodenfruchtbarkeit wichtig sind. Rückstände sind bereits in Erdbeeren,
Salat, Möhren und Gerste nachgewiesen worden.
- Jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, daß gentechnisch
manipulierte Pflanzen ihre herbizidresistenten Gene auf Unkräuter übertragen
können (»Einkreuzung«), so daß diese wiederum gegen die
eingesetzten Herbizide Resistenzen entwickeln. Dadurch werden »Superunkräuter«
ungewollt herangezüchtet. Die Giftspirale dreht sich weiter: Immer neue
Gifte müssen entwickelt werden, da sich die alten plötzlich als
wirkungslos gegen bestimmte Unkräuter erweisen werden. Komplementär
dazu werden dann wieder neue Resistenzgene gegen eben diese Gifte in
Nutzpflanzen eingefügt.
- Einmal in die Umwelt entlassen, sind gentechnisch veränderte
Organismen nicht mehr zurückzuholen. Der Prozeß ist irreversibel.
- Transgene Nutzpflanzen und darauf zugeschnittene Herbizide verdrängen
die genetische Vielfalt vorhandener Kulturpflanzen.
Um die schlimmsten Gefahren abzuwenden, bedarf es eines Bündnisses von
Politik, VerbraucherInnen und Lebensmittelerzeugern.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verlangen folgende Maßnahmen:
- Die Lebensmittelhersteller und der Einzelhandel müssen auch ohne
entsprechende gesetzliche Grundlage dafür sorgen, daß Produkte, in
denen GenTech-Soja enthalten oder verarbeitet worden ist, mit einem eindeutigen
Hinweis auf der Verpackung versehen werden.
- Verbot der Patentierung von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen und
Tieren: Leben ist keine Erfindung im technischen Sinne. Der Unterschied zwischen
Erfindung und Entdeckung wird durch die Gentechnik zusehends verwischt. Die
Entdeckung von Genen einer bestimmten Art und deren Übertragung auf andere
Arten stellt also bestenfalls eine technische Leistung dar, keinesfalls eine
erfinderische.
- Auf europäischer Ebene muß sich die Bundesrepublik endlich für
eine Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensmittel und deren
Vorläufersubstanzen einsetzen.
- Gentechnik-Betreiber sollen den Bedarf und die Notwendigkeit auf Grund
fehlender Alternativen von Genmanipulation an Pflanzen und Tieren nachweisen müssen.
- Gegenüber der GenTech-Industrie und anderen Einrichtungen innerhalb
der EU, wie etwa Universitäten, muß eine Umwelt- und Gefährdungshaftung
für ökologische oder gesundheitliche Schäden eingeführt
werden, die durch Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen bzw.
deren Verzehr entstanden sind. Klärung und Verschärfung des
Produkthaftungsrecht für gentechnische Erzeugnisse.
- Der Gesetzgeber soll ein staatlich überwachtes Gütesiegel »gentechnik-frei«
für Lebensmittel einführten, bei deren Herstellung keine Gentechnik
angewandt wurde. Dieses Gütesiegel muß staatlich kontrolliert werden.
- Das Bundesgesundheitsministerium soll ein öffentliches Register
erstellen: Unternehmen, die Pflanzen verarbeiten, verpflichten sich,
mitzuteilen, ob sie gentechnisch manipulierte Pflanzen verwenden und in welcher
Form diese im Produkt vorliegen. Dieses Register muß für
VerbraucherInnen frei zugänglich zur Verfügung stehen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rufen zum Boykott von Unternehmen auf, die
nicht garantieren wollen, daß sie keine gentechnisch veränderte Soja
in ihrem Sortiment verwenden.