Beschluß der 8. Ordentlichen Bundesversammlung
29.11.-1.12.1996 im Congress Centrum Suhl
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B-V-23 Gegenstand:
Ausländerrecht

Keine Verschärfung des Ausländerrechts

In der Dezembersitzung des Bundesrats soll die vom Bundestag am 14.11.96 beschlossene Änderung des Ausländerrechts beschlossen werden. Die Änderung ist hauptsächlich eine Verschärfung des Ausländerrechts und widerspricht dem Integrationsgedanken. Inländer ohne deutschen Paß, auch der zweiten Generation, können nun noch leichter abgeschoben werden.

Wir setzen uns für den friedlichen Verlauf von Demonstrationen ein und lehnen die gewalttätige Auseinandersetzung ab. Aber die angeblich durch die Änderung des Ausländergesetzes gewährleistete bessere Verhinderung und Bestrafung von gewältigen Demonstranten ist nur vorgeschoben.

Bündnis 90/Die Grünen stellen fest: Abschiebungen von politisch Verfolgten in das Verfolgerland sind völlig unakzeptabel. Für kriminelle Straftäter - Deutsche wie Ausländer - reicht das Strafrecht vollkommen aus. Die Verschärfung des § 125a StGB (schwerer Fall des Landfriedensbruchs) trifft nicht nur direkte Gewalttäter, sondern auch Teilnehmer einer verbotenen Demonstration. Künftig soll auch jede rechtskräftige Verurteilung zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung wegen einer in § 125a S. 2 StGB genannten Regelbeispiele eines besonderen schweren Falles von Landfriedenbruchs durch einen Ausländer die Ausweisung zur Folge haben.

Die Ausweisung nach § 47 wegen besonderer Gefährlichkeit gilt nun schon bei Strafen von drei Jahren. Der besondere Ausweisungsschutz nach § 48 entfällt für Ausländer, die eine Aufenthaltsberechtigung oder eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzen und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjährige in das Bundesgebiet eingereist sind.

Diese Regelung würde ausländische Jugendliche gegenüber deutschen Jugendlichen erheblich benachteiligen. Eine Abschiebung nach Verbüßung der Haftstrafe in die vermeintliche „Heimat" ist eine Doppelbestrafung und widerspricht damit rechtstaatlichen Prinzipien. Lange hier lebende, geborene und in Deutschland sozialisierte Menschen in ihr „Heimatland" abzuschieben, aus dessen Kultur sie ggfs. Entwurzelt und dessen Sprache sie kaum noch sprechen, ist unmenschlich, unserer Demokratie abträglich, verschärft die Spannungen zwischen Ausländern und Deutschen und verhindert den interkulturellen Dialog.

Die Verschärfung des Ausländerrechts trifft nicht nur unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Sie dient auch als Einstieg in die allgemeine Verschärfung des Demonstrationsrechts und dem Abbau demokratischer Rechte. Anstatt gesellschaftliche Probleme politisch zu lösen und den demokratischen Rechtsstaat auszubauen, wird einmal wieder mit einer Änderung bzw. Abschaffung von demokratischen Rechten reagiert.

Bündnis 90/Die Grünen lehnen die Verschärfung des Ausländerrechts entschieden ab und fordern alle Mitglieder der bündnisgrünen Partei und die Mitglieder der bündnisgrünen Fraktionen in den Ländern auf, sich gegen eine Verschlechterung des Ausländergesetzes auszusprechen.

Die mit der SPD koalierenden bündnisgrünen Fraktionen in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein fordern wir auf, politisch durchzusetzen, daß die sie mitvertretenden Regierungen im Bundesrat gegen die Verschlechterungen des Ausländergesetzes stimmen.

Von der SPD - die sich als Bundestagsfraktion ebenfalls gegen eine Änderung des Ausländergesetzes ausgesprochen hat - erwarten wir, daß sie im Bundesrat der vom Bundestag beschlossenen Verschärfung des Ausländerrechts nicht zustimmt.


© BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1996
Letzte Änderung: 16.12.96