Beschluß der 8. Ordentlichen Bundesversammlung
29.11.-1.12.1996 im Congress Centrum Suhl
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B -V-16 Gegenstand:
Welt-AIDS-Tag

AIDS-Prävention sichern,
Forschungsanstrengungen verstärken,
die soziale Situation von Menschen mit HIV und AIDS verbessern!

Zum Welt-AIDS-Tag bekräftigen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihre Solidarität mit allen Menschen, die von HIV und AIDS betroffen sind. HIV und AIDS kann nur wirksam begegnet werden, wenn sich die gesamte Gesellschaft ihrer Verantwortung bewußt ist.

Die jüngsten Fortschritte in der medizinischen Forschung geben vielen Betroffenen neue Hoffnung. Sie sind aber kein Grund zur Entwarnung im Bereich der Prävention. Auf dem Weg zum möglichen medizinischen Durchbruch dürfen wir in den Präventionsanstrengungen bei der HIV-In-fektion nicht nachlassen.

Seit Jahren sind die Haushaltsansätze des Bundes für die AIDS-Prävention rückläufig. Diese Politik ist extrem kurzsichtig, menschlich unverantwortlich und zynisch. 2.000 bis 3.000 Neuinfektionen pro Jahr in der Bundesrepublik sind immer noch viel zuviel. Eine weitere Steigerung dieser Zahl muß verhindert werden. Den Pfennigfuchsern in Bundes- und Landesregierungen sei ins Stammbuch geschrieben: Es ist weitaus billiger, eine Infektion zu verhindern, als einen Kranken zu behandeln und zu pflegen.

Die Situation der AIDS-Kranken ist häufig desolat. AIDS ist eine Krankheit, die arm macht. Die Sozialhilfe reicht nicht aus. Die Kranken können wegen ihrer geringen Bewegungsfähigkeit mit den normalen Sätzen nicht auskommen. Im Verlauf der Krankheit steigt in der Regel der Bedarf an spezieller Nahrung, an Heizung und Hygieneartikeln. Aufgrund ihres geringen Alters oder ihrer sozialen Randständigkeit können viele AIDS-Kranke nicht auf andere soziale Sicherungen etwa durch Rente oder Familie zurückgreifen. Wir fordern einen Mehrbedarfszuschlag für AIDS-Kranke und andere chronisch Kranke bei der Sozialhilfe.

Immer mehr Erkrankte werden pflegebedürftig. Aber auch die Pflegeversicherung ist auf Krankheitsbilder wie AIDS nicht eingestellt - angesichts des schwankenden Krankenbildes mit akuten Infektionen und einem enorm hohen Fachpflegebedarf auf der einen und Phasen relativer Selbständigkeit auf der anderen Seite. Notwendig sind Maßnahmen, die eine bedarfsgerechte ambulante pflegerische Vollversorgung von AIDS-Kranken in allen Stadien der Krankheit sicherstellen. Bei der Pflegeversicherung ist es zudem dringend erforderlich, die Wartezeiten bei der Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Pflegekassen zu verkürzen.

Eine forschungspolitische Initiative bei AIDS ist längst überfällig: in der Grundlagenforschung und bei der Entwicklung neuer Medikamente. Eine solche Initiative wird von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seit Jahren gefordert. Zu lange wurde in der Bundesrepublik nach dem Gießkannenprinzip ohne strategisches Konzept mit Klein-Klein-Beträgen operiert. Der deutsche Beitrag zur AIDS-Forschung ist daher im Vergleich zur französischen und amerikanischen Forschung ziemlich bescheiden. Die Konzeptlosigkeit der Bundesregierung läßt den Forschungsstandort Deutschland reichlich alt aussehen.

In vielen Ländern der Armen Welt hat sich AIDS zur menschlichen und gesellschaftlichen Katastrophe entwickelt. Die neuen Hoffnungen auf einen medizinischen Durchbruch helfen den Menschen in der Dritten Welt wenig, wenn sie die teuren Medikamente und Therapien nicht bezahlen können. Die reichen Staaten sind in der Verantwortung, die Länder der Dritten Welt darin zu unterstützen, daß medizinische Hilfe und Prävention gegen AIDS auch die Armen erreicht.


© BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1996
Letzte Änderung: 16.12.96