Beschluß der 8. Ordentlichen Bundesversammlung
29.11.-1.12.1996 im Congress Centrum Suhl
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B-V-14 Gegenstand:
Kurdistan

Für einen dauerhaften Frieden in Kurdistan!

Hintergrund:

Im Zusammenhang mit den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der KDP und der PUK im August dieses Jahres marschierten iranische und irakische Truppen in Irakisch-Kurdistan ein. Die KDP hatte am 31. August das irakische Regime um Unterstützung bei den Kämpfen mit der PUK gebeten. Mit Unterstützung irakischer Truppen gelang es der KDP Arbil, die Hauptstadt Irakisch-Kurdistans, einzunehmen. Arbil stand seit 1994 unter Kontrolle der PUK und war ebenfalls Sitz mehrerer irakischer Oppositionsgruppen.

Bei den Bombardierungen und Kämpfen in Arbil kamen hunderte von Menschen ums Leben. Eintreffenden Nachrichten zufolge war auch der irakische Geheimdienst in Arbil aktiv und an Verhaftungen von insbesondere irakischen Oppositionellen, Deserteuren der irakischen Armee und Mitgliedern des Irakischen Nationalkongresses beteiligt. Mindestens 96 Mitglieder der irakischen Opposition sollen getötet und ihre Familien nach Mossul und Kerkuk verschleppt worden sein. Ferner wurden führende Mitglieder der PUK festgenommen.

In den darauffolgenden Tagen gelang es der KDP und den irakischen Truppen, nahezu das gesamte Gebiet einzunehmen, das unter Kontrolle der PUK stand, wie die Städte Sulaimaniya und Kerkuk. Die KDP übernahm in den Provinzen Suleymaniya, Kerkuk und Arbil die Verwaltung.

In einer militärischen Offensive eroberte die PUK am 12. Oktober zuerst die iranisch-irakischen Grenzgebiete und übernahm erneut die Kontrolle über die Stadt Sulaimaniya. Strittig ist bisher, ob die PUK hierbei mit iranischen Truppen kooperiert hat.

Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen den Kurdenfraktionen PUK und KDP demonstrieren das völlige Versagen der internationalen Gemeinschaft in der Region. Ein Teil des kurdischen Gebietes im Irak war 1991 zur Schutzzone der Golfkriegsalliierten erklärt worden. Dennoch wurde die 1992 gewählte kurdische Regierung international nicht anerkannt. Finanzielle Unterstützung zum Aufbau der Verwaltungsstrukturen und der Wirtschaft blieben aus, finanzielle Hilfsleistungen wurden nicht direkt an die kurdische Regionalregierung, sondern an einzelne lokale Gruppierungen vor Ort geleitet.

Die kurdischen Gebiete waren seit Ende des Golfkrieges einem doppelten Wirtschaftsembargo ausgesetzt: dem von den Vereinten Nationen gegen den Irak verhängten und dem intern vom Irak gegen die kurdische Region durchgeführten Embargo. Die Region war durch Arbeitslosigkeit, Emigration, verrottete Produktionsanlagen und einen mittellosen öffentlichen Sektor geprägt. Verarmung und Knappheit waren eine der Ursachen für den

Ausbruch des Konfliktes zwischen den beiden großen kurdischen Parteien um Macht und wirtschaftliche Ressourcen in Irakisch-Kurdistan.

Die Alliierten waren nicht willens, die kurdische Bevölkerung vor Übergriffen von seiten des Irak oder der Nachbarstaaten Iran und Türkei zu schützen. Zwar demonstrierten die USA eine vermeintlich entschlossene Haltung gegenüber dem Irak, nachdem irakische Truppen in Kooperation mit der KDP in die kurdischen Gebiete einmarschierten. Doch wurde deutlich, daß das Interesse der USA nicht dem Schutz der kurdischen Bevölkerung galt. Vielmehr waren die USA bestrebt, ein erneutes Erstarken des irakischen Regimes zu verhindern und den nach dem Golfkrieg festgeschriebenen status quo zu erhalten.

Der Nachbarstaat Türkei, der kontinuierlich grenzüberschreitende Bombardements auf irakisch-kurdischem Territorium durchführt, versuchte die krisenhafte Entwicklung in Irakisch-Kurdistan für sich zu instrumentalisieren und verkündete den Plan, eine Pufferzone auf irakisch-kurdischem Territorium zu errichten, die bis zu 20 km in das Land reichen sollte. Dies stellt einen eindeutigen Vorstoß von Artikel 3 der Genfer Konvention von 1949 und von Artikel 6 (1) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) dar.

Die Jahre seit Beendigung des Golfkrieges demonstrieren deutlich das Desinteresse der „internationalen Staatengemeinschaft" und allen voran der USA, den Aufbau von unabhängigen politischen Strukturen in Irakisch-Kurdistan zu unterstützen, eine Beilegung des Konfliktes durch eine internationale Friedenskonferenz herbeizuführen und die kurdische Region aus ihrem unsicheren Status herauszuführen.

Verantwortung für die Folgen der militärischen Auseinandersetzungen zwischen KDP und PUK tragen auch die beiden Konfliktparteien, die ebenso den Ausbau der eigenen Machtposition einer Stärkung der Regionalregierung vorzogen und damit behinderten. Die kurdische Bevölkerung war seit Beginn der militärischen Auseinandersetzungen zwischen PUK und KDP im Jahr 1994 aus Gründen der reinen Existenzsicherung gezwungen, sich einer der beiden Konfliktparteien anzuschließen.

Wir fordern: